Forschungsschwerpunkte
Protestantische Kirchen und preußischer Staat: Ich beschäftige mich mit der Rolle des rheinischen und des westfälischen Protestantismus im „langen“ 19. Jahrhundert. Meine Forschung konzentriert sich auf Modernisierungs- und Säkularisierungsprozesse, die mit der sog. „Sattelzeit“ einsetzten und auf die ambivalente Haltung der evangelischen Kirche zum Staat hinweisen.
Spanischer Bürgerkrieg und Nationalsozialismus: Ich habe mich erstens mit den sogenannten Spaniendeutschen befasst, die 1936 in das nationalsozialistische Deutschland evakuiert und hier von Organisationen der Partei, aber auch von der evangelischen und der katholischen Kirche betreut wurden. Zweitens habe ich zum Strafvollzug im sogenannten ‚Dritten Reich‘ gearbeitet und hier das Strafgefangenenlager Oberems bei Gütersloh thematisiert. Besonders interessiert mich drittens die Kontroverse „Erinnerungs- oder Geschichtskultur“. In diesem Zusammenhang habe ich mich kritisch mit dem Konzept Aleida Assmanns sowie der Gedenkstättenpädagogik auseinandergesetzt.
Geschichtsdidaktik: Während ich als Geschichtslehrer vor allem problemorientiert und quellenzentriert unterrichtet habe, sind mir inzwischen Narrativität und Zeitlichkeit immer wichtiger geworden. Ich verbinde den pädagogischen Konstruktivismus und seine Betonung autonomen Lernens mit der Erzähltheorie Jörn Rüsens, die auf dem Lebensweltbezug historischen Denkens fußt. Um meinen theoretischen Ansatz empirisch zu überprüfen, habe ich ein Kategorienstrukturmodell entwickelt, das narrative Kompetenz operationalisiert, indem es Gegenwartsbezug, Chronologie, Argumentation und Wissen unterscheidet. Indem ich SchülerInnen vor und nach einer Unterrichtsreihe sowie sechs Wochen später Geschichten zu einer jeweils themenspezifischen Bilderreihe schreiben lassen, wird deutlich, wie und in welchem Umfang sie Lernfortschritte machen. Bei der Auswertung meiner Daten orientiere ich mich an der qualitativen Inhaltsanalyse Mayrings und nutze mit atlas.ti ein Instrument aus der Psychologie. Einen vergleichbaren Ansatz verfolge ich im Blick auf die Lernprogression narrativer und hermeneutischer Kompetenz von Studierenden.
Empirische Forschungsprojekte
Lernprogression narrativer Kompetenz im Geschichtsunterricht.
Die Entwicklung epistemologischer Einstellungen von Studierenden des Fachs Geschichte.
Aktuelle Projekte
Theorie: Im Moment arbeite ich an einer Geschichte des Begriffs ‚Geschichtsbewusstsein‘, der in der Geschichtsdidaktik eine Schlüsselrolle spielt, trotz seiner langen Tradition aber relativ unbestimmt geblieben ist. Mein Ziel ist eine genauere Definition, die einen Beitrag zur geschichtsdidaktischen Fachsprache leistet. Das Buch soll Anfang 2018 in Druck gehen.
Empirie: Die Auswertung der Essays von etwa 450 SchülerInnen aus der Regel- und der Waldorfschule soll Aufschluss darüber geben, ob die Lernprogression narrativer Kompetenz vom Geschlecht, vom Unterrichtsstil, vom Unterrichtsgegenstand oder dem Schultyp abhängig ist. Das Ergebnis soll Anfang 2018 veröffentlicht werden. Die Forschung zur Lernprogression von Studierenden hat die Erhebung zur ersten Kohorte abgeschlossen, zwei weitere sollen folgen. Hier ist Thomas Must im Rahmen eines Drittmittelprojekts der Qualitätsoffensive LehrerInnenbildung an der Universität Bielefeld federführend.